22. September: Anti-Erdogan-Demonstration

Am 22. September findet um 19 Uhr am S-Bahnhof Leipzig-Plagwitz eine autonome Anti-Erdogan-Demonstration statt. Wir dokumentieren im folgenden den Aufruf:

Am 16. April 2017 hatte die türkische AKP-Regierung die türkische Bevölkerung im In- und Ausland zum Referendum aufgerufen. Nicht um weniger sollte es gehen, als um die Verdichtung der Machtbefugnisse auf den türkischen Präsidenten: Recep Tayyip Erdogan. Faktisch, so die verbreitete Meinung kritischer Beobachter_innen, würde damit die parlamentarische Demokratie abgeschafft und durch ein Präsidialsystem ersetzt werden.

Auch wenn bereits im Vorfeld eine freie Abstimmung angezweifelt wurde, kam es, wie es kommen musste. Unter Einsatz massiver Repression, sowie offensichtlicher Fälschungstaten, kam das von der Regierung präferierte Ergebnis zustande. Knapp über die Hälfte aller Wählenden stimmte mit „evet“ für ein Ja zur Reform. In Deutschland fiel das Ergebnis noch ungünstiger aus: Hier stimmten über 60 % für die Reform des gesamten politischen Machtapparats der Türkei. Durch diese Zustimmung innerhalb der türkischen Bevölkerung ist Erdogan weit mehr als selbsternannter Diktator geworden. Vielmehr verdichte sich in ihm ein Wunsch nach autoritärer Führung und Macht, der von Millionen von Menschen geteilt wird.

Kläglich fielen die offiziellen Versuche der politischen Klasse aus, dem Gegentrend eine Stimme zu geben. Die kurdische Partei HDP, sowie weitere Oppositionsparteien, versuchten, vor dem Verfassungsgericht der Türkei die Wahl für nichtig erklären zu lassen und trafen dabei auf ein Gericht, das schon lange im Vorfeld mit Erdogananhängern besetzt worden war, nachdem alle Oppositionskräfte, wie auch vermeintlichen Anhänger der Gülen-Bewegung aus dem Justizwesen beseitigt worden waren. Nur wenige Tage brauchte dieses, um den Antrag abzuweisen.

Die politische Elite Europas gefiel sich darin, das Referendum kritisch zu betrachten und mit der üblichen Lächerlichkeit die eigene Besorgnis auszudrücken, nur um in den folgenden Tagen das Referendum offiziell anzuerkennen. Ohnehin blieb die Differenz der politischen Elite Europas gegenüber der Türkei wie stets bloß vorgeschoben, die ständig herbeizitierten Menschenrechte bloß strategisches Mittel, um sich in den andauernden strategischen Konflikten mit der Türkei in bessre Lage zu manövrieren. Viel zu ähnlich jedoch bleiben die Übereinstimmungen der Interessen hinsichtlich der Überwachung der Bevölkerung, sowie auch der Verdichtung politischer Macht, als dass eine echte Differenz die europäische Elite sich zu einem Konfrontationskurs entwickeln könnte, welcher tatsächlich das Leben der von Erdogan und seinen Anhänger_innen Verfolgten zum Anlass hat.

Mit ihrer Anerkennung des Referendums unterstützen Deutschland, wie auch die anderen Länder Europas, Präsident Erdogan und seine faschistischen Anhängerschaft, auch ein längerfristiges Projekt weiter voran zu bringen, hatte dieser doch bereits im Vorfeld angekündigt, das Referendum als Trendwahl für die Wiedereinführung der Todesstrafe zu werten. Damit wächst erneut die Gefahr für alle, die nicht auf der Linie Erdogans und der AKP-Regierung liegen, im Widerstand gegen die Errichtung einer faktischen Diktatur ihr Leben zu verlieren.

Nicht alle jedoch nahmen mit der gleichen Passivität die Ergebnisse des Referendums hin. Noch am selben Abend strömten im Stadtteil Beşiktaş in Istanbul, wie auch in Ankara und Izmir tausende auf die Straße, um ihrem Widerstand Ausdruck zu verleihen, dabei auf die eigene Stimme vertrauend und hoffend auf die Kraft der Massenbewegung, die sich schon im Kampf um den Gezi-Park gezeigt hatte.

Doch der notwendige massenhafte Zustrom blieb aus. Die spontanen Demonstrationen, die sich ihren Weg durch die Straßen suchten, wurden zwar aus den Fenstern beklatscht, doch zu wenige fanden den Mut, sich den Demonstrierenden anzuschließen. Zu gering blieb ihre Zahl, als dass sieden Herrschaftsapparat Erdogans und der AKP in Bedrängnis hätten bringen können, zu tief saß bereits die Angst vor Repression und einem Verschwinden in türkischen Foltergefängnissen.

Die Repression ließ nicht lange auf sich warten. Wie in vorbereiteter Aktion schlugen die Häscher der Regierung in den nächsten Tagen zu und verhafteten jene, die sie für die verhaltenen Proteste verantwortlich machten. Die Hoffnung auf einen baldigen Kampf um die Freiheit der Menschen unter der aufziehenden Diktatur Erdogans war somit erneut in schwere Bedrängnis geraten. Nicht nur in der Türkei fiel die Unterstützung für jene, die ihre Kampfbereitschaft signalisierten, gering aus. Auch in den Ländern Europas gingen nur wenige auf die Straße. Zu viele nahmen passiv hin, was sie als eh nicht zu beeinflussen wähnten. Die Faust in der Tasche wurde zwar in Wut über das Vorgehen der Erdogan-Regierung und den sie unterstützenden autoritären Teil der Bevölkerung geballt, doch nur an wenigen Stellen zog sie jemand tatsächlich aus der Tasche, um im Mindesten
die Solidarität mit den Kämpfenden und schwer Bedrohten auszudrücken.

Dabei nimmt gerade Deutschland bezüglich der Türkei eine unterstützende Sonderrolle ein. Nicht nur, dass im Einvernehmen mit der türkischen Regierung der mörderische „Flüchtlingsdeal“ abgeschlossen wurde, oder dass der deutsche Waffenfabrikant Rheinmetall AG erneut eine Waffenfabrik in der Türkei errichten lässt, um die Regime des Nahen Ostens mit Waffen und Panzern zu versorgen.

Allen Konflikten zum Trotz, welche die deutsche Regierung sich mit der Türkei liefert, gibt es doch zahlreiche Punkte, in welchen sich eine Interessengleichheit für die Regierungen herstellen lässt. So teilt die deutsche Regierung nicht unwesentlich die Repressionswünsche der türkischen Regierung. Im Einvernehmen mit der Türkei wird in Deutschland die kurdische Arbeiterpartei PKK weiterhin verfolgt, ebenso wie neuerdings alle Parteien und Organisationen der Revolution im syrischen Teil Kurdistans. Desweiteren sind vor dem OLG in München 10 Mitglieder der türkisch-kommunistischen Partei TKP/ML angeklagt. Im groß angelegten Verfahren bezieht sich die Bundesanwaltschaft dabei auf Akten, die größtenteils von den türkischen Repressionsbehörden zusammengestellt wurden.

Die Situation in der Türkei hat sich seit der Einführung des Referendums nicht gebessert. Im Gegenteil gehen die Angriffe auf die Opposition seitens der Regierung mit unverminderter Härte weiter. Fortgesetzt werden die Verhaftungen kritischer Stimmen, ebenso die Angriffe auf die Bevölkerung in den kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei, wo ganze Stadtviertel abgerissen und tausende Menschen ihrer Existenzgrundlagen beraubt werden. Und auch die Revolution der Genoss_innen in Rojava steht weiterhin unter dem Beschuss durch das türkische Militär.

Am 22. September 2017 wollen wir das Schweigen gegenüber der faschistischen Erdogan-Diktatur im Mindesten für einen Moment durchbrechen und zeigen, dass uns nicht gleichgültig ist, was geschieht. In Solidarität und Schulter an Schulter mit den kämpfenden Genoss_innen in Kurdistan und der Türkei sowie allen Gefangenen der Erdogan-Diktatur haben wir für diesen Tag nur eine Parole:

Nieder mit Erdogan! Nieder mit Erdogan! Nieder mit Erdogan!

Kommt zur Autonomen Anti-Erdogan-Demonstration am 22. September 2017 um 19h am S-Bahnhof Leipzig-Plagwitz! Bringt eure Genoss_innen mit und alles, was ihr braucht um eurer Feindschaft Ausdruck zu geben! Schulter an Schulter gegen Faschismus!

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