Redebeitrag Emanzipatorischer Block CSD

Wir haben uns u.a. mit einem Redebeitrag beim Emanzipatorischen Block auf dem CSD beteiligt. Nachfolgend findet ihr ihn dokumentiert:

Geschichte ist geprägt von sozialen Kämpfen. Kämpfe um politische Rechte, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie gegen Ausgrenzung und Unterdrückung. Diese Kämpfe erscheinen dabei zunächst illegitim, bedrohlich und werden von der jeweils bestehenden Ordnung bekämpft. Ihnen werden widernatürliche und zersetzende Eigenschaften unterstellt, die das Gemeinwohl bedrohen und den Anbeginn der Apokalypse ankündigen. Soziale Kämpfe stellen eine potenzierte Spannung innerhalb einer Gesellschaft dar. Sie möchten über das legale hinausweisen und orientieren sich somit nicht an gegebenen Normen, sondern analysieren, reflektieren und setzen andere Maßstäbe. Häufig werden Kämpfe dabei gegen einen hegemonialen Block geführt, doch tut dies dem Anliegen keinen Abbruch. Die Passivität der Masse soll schließlich nicht dem Stillschweigen der eigenen Sache dienlich sein. Fürwahr, soziale Kämpfe sind nicht nur für emanzipative Vorstellungen gepachtet. Doch liegt unser Fokus auf der freien Assoziation freier Individuen. Diese setzt die Selbstbestimmung mutwilliger Individuen voraus und sucht notfalls den Konflikt mit den Zurichtungen einer Gesellschaft. Und so wird deutlich: Soziale Kämpfe beginnen zumeist mit einem Knall.

Einen solchen Knall stellen die Ausschreitungen um die Kneipe Stonewall Inn 1969 in New York dar. Als Absteige für die als „perversen Abschaum“ diffamierten Menschen bekannt, verkehrten in dieser Kaschemme nicht nur weiße, männliche Homosexuelle. Zu diesen gehörten auch obdachlose Trans* of Color, die regelmäßig entwürdigenden Identitätskontrollen ausgeliefert waren. Das Lokal war ein Schandfleck im Auge der Polizei und sollte durch Schikanen zur Schließung gezwungen werden. Doch bei einer der üblichen Razzien regte sich Widerstand. Auf die Festnahme und die üblichen Misshandlungen mehrerer Leute hin flogen die ersten Flaschen und Steine auf die Polizei. Weite Teile der anliegenden Bevölkerung solidarisierten sich mit den Revoltierenden und so folgten weitere Nächte der Ausschreitungen.

Nach Abflauen der Proteste gründeten sich unterschiedliche Organisationen. Die Gay Liberation Front schließlich organisierte ein Jahr nach dem Krawall eine Gedenkdemonstration – die Geburt des seither jährlich zelebrierten Christopher Street Day. Das Wort Gay stand damals noch nicht für exklusiv schwul, so begriff man sich als Queer und Teil eines Kampfes gegen männliche Vorherrschaft, Rassismus und auch Kapitalismus. Dieses Selbstverständnis der Bewegung änderte sich jedoch mit den ihr folgenden Organisationen.

Die sich im Dezember 1961 auch aus Mitgliedern der GLF gegründete Gay Activist Alliance (GAA) grenzte sich vor allem dadurch von der Gay Liberation Front ab, indem sie nur Aktionen unterstütze, die einen unmittelbaren Bezug zu Homosexuellen hat. In der GAA engagierten sich Aktivist_innen wie z.B. Sylvia Rivera die in ihrer Organisation jedoch immer wieder rassistischer, klassistischer oder transphober/feindlicher Diskriminierungen ausgesetzt waren. 1973 wurde sie, wie auch alle Trans-Aktivist_innen aus der GAA ausgeschlossen weil man fand das die Durchsetzung des Gay Rights Bill, einem Antidiskriminierungsgesetz in NYC, so bessere Chancen hatte.

Seitdem ist viel passiert. Viele vergangene und aktuelle Gruppen sind vor allem von weißen Männern aus der Mittelklasse dominiert und ihre Forderungen begrenzen sich vor allem auf Ehe, Steuer und erbrechtliche Vergünstigungen. Die gesetzliche Ebene ist unterdessen auf viele dieser Forderungen eingegangen und hat zunehmend eine rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen vorangebracht. Auch die öffentliche Wahrnehmung von Menschen abseits der Geschlechterpolarität mag zugenommen haben. Doch kann von einer allumfassenden Akzeptanz bzw. einem Nicht-Infragestellen unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten nicht die Rede sein. So führte der Wunsch nach Anerkennung sowohl von der Mehrheitsgesellschaft als auch vom Staat immer wieder zu Abgrenzung zu Trans-, People of Color oder auch Armen/Obdachlosen und einer Spaltung der Interessen. Der allgemeinen Ablehnung folgten schnell die Stereotype. Eine Verneinung der aufgezwungenen Geschlechtsidentität wird oftmals als psychisch krank denunziert. Viele nahmen sich in Folge dessen das Leben.

Auch das Gedenken an das Revoltieren der Unterdrückten und Schikanierten des Stonewall Inn 1969 hat sich stark verändert – es wurde mehr und mehr zu einer hippen Großveranstaltung. Parteien (fast) aller Couleur preisen sich für ihren Kampf für die Rechte von Homosexuellen und manch Umzug verkommt somit zu einer Wahlveranstaltung. Der CSD erlitt dasselbe Schicksal wie viele ehemals tatsächlich revolutionärer Ereignisse – er wurde rekuperiert, was heißt: staatlich vereinnahmt ohne jegliche radikale Kritik der Anfangsjahre.

Mit dem emanzipatorischen Block soll auch dieses Jahr dem Spektakel entgegen gewirkt werden. Wir möchten an die Radikalität des CSD erinnern und unsere Kritik an den bestehenden Verhältnissen auf die Straße bringen.

Stonewall was a riot – und wird es auch bleiben!

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