21.11.: Demo: Berlin-Hellersdorf „Rassistische Brandstifter stoppen!“ / Redebeitrag

Knapp anderthalb Jahre ist es her, da empfand ein Kongress in Berlin das „Antifa in der Krise“ sei. Im Nachgang lösten sich langjährige Antifa-Gruppen auf, wobei ein Teil in bundesweiten Bündnissen aktiv wurde. Der antifaschistische Kampf der vergangenen Jahre wurde als zu fragmentiert und nicht mehr den heutigen Verhältnissen gemäß betrachtet. So sehr verständlich diese Sichtweise ist, so sehr stellt sich die Frage nach der Dringlichkeit antifaschistischer Politik gerade hier in Marzahn-Hellersdorf mehr denn je. Was hier im Sommer 2013 unter dem Label „Nein zum Heim“ geschau, war die Blaupause für eine lange nicht mehr gesehene Form des gemeinsamen Protests von bekannten Neonazis und rassistischen Bürger_innen.

Seit die Fluchtbewegung in Richtung Europa und insbesondere Deutschland zunahmen, wurden breite Massen reaktionärer Bürger_innen aktiv und einstige Hemmschwellen zu nazistischen Gruppierungen sind mittlerweile gänzlich verflogen. So lässt sich in Sachsen täglich beobachten, wie zumeist mehrere hundert Demonstrierende wahlweise dem örtlichen NPD oder AfD – Kader, oder auch einer Bürgerinitiative hinterher laufen. Ihr Rassismus hat schon lange die Form kollektiven Wahsinns angenommen und Verschwörungstheorien verhindern jede rationale Gegenargumentation. Pegida muss dabei als Initialzündung für den Schritt vom bloßen Protest zur rechten Bewegung betrachtet werden.
Öffentlich bekunden Pegida und Co den Ruf nach Frieden und stellen sich selbst als Opfer einer faschistischen Dikatur der sog. Flüchtlingskanzlerin dar. Doch gerade an diesem Punkt, verfehlten Analysen und folglich auch Strategien ihr Ziel und tun es teils auch heute noch. Immer noch wird mit der Lupe nach dem ein oder anderen Kostümfaschisten vergangener Tage gesucht und sich schließlich an diesem abgearbeitet ohne zu verstehen, dass die heutige Rechte um die Wahl der Worte und der Mittel weiß um massenhaft anschlussfähig zu sein. Diese schafft es beharrlich sodann jeden rassistischen Müll als „Meinungsfreiheit“ zu verteidigen und aktiven Gegenprotest als „Linksfaschismus“ zu diffamieren. Eine tiefere, und sei es historisch bewusste und um Gehalt des Begriffs Faschismus streitende Auseinandersetzung mit dieser Bewegung, sucht man auch seitens vieler Antifaschist_innen vergebens. Was sich in all diesen Bewegungen ausdrückt ist der lauter werdende Wunsch nach dem nationalen Kollektiv, dass sich in der Tradition der Wiedervereinigung Deutschlands, in einer nächsten so genannten „friedlichen Revolution“ verwirklichen soll. Anpeitscher dieser völkischen Perspektive finden sich schließlich in Personen wie Götz Kubitzschek von der neurechten Zeitschrift „Sezession“, dem Herausgeber des Querfront-Blättchens „Compact“ Jürgen Elsässer, der Ex-AfDlerin und PEGIDA-Ikone Tatjana Festerling oder dem AfD-Scharfmacher Björn Höcke. Gegen die Mobiliserungskraft dieser sog. neuen Rechten können klassische Neonazis derzeit nicht ansatzweise anstinken.

Und daher gilt es gerade bei den letztgenannten Personen mitsamt ihrer entsprechender Veranstaltungen, aktiv Gegenprotest zu organisieren. Es ist bedauerlich, wenn die jährliche stattfindende Compact-Konferenz mit knapp 1000 Teilnehmer_innen auch dieses Jahr wieder ohne Protest in Berlin durchgeführt werden konnte. Es ist fatal, wenn vor kurzem gerade einmal 1000 Leute fast 5000 Rassist_innen bei einer AfD-Demo gegenüberstanden und die Bewegung somit in der Hauptstadt Fuß fassen kann. Die direkten Aktionen im Vorfeld wissen zu gefallen, aber allein mit solcherlei Nachtaktionen lässt sich langfristig das Problem nicht verhindern. Eine antifaschistische und antirassistische Bewegung, die den Faschist_innen von heute nachhaltig Schaden zufügen kann, entsteht da wo Theorie und Praxis dieser Bewegung mindestens ebenso viele Menschen motiviert, für bessere Verhältnisse auf die Straße zu gehen.
An dieser Stelle müssen wir ganz klar sagen, der antifaschistiche Kampf gegen den rassistischen Mob auf der Straße, kann nur die andere Seite der konkreten antirassitischen Solidarität mit denjenigen sein, die tagtäglich unter Mob und Staat leiden. Und gerade an dieser Solidarität mangelt es derzeit am meisten.

Wenn sich Tausende mobilsieren lassen, um sich in den Straßen von Hamburg oder Köln vollkommen verblödeten und gesellschaftlich weitesgehend geächteteten Hooligans entgegen zu stellen, aber nur wenige hundert zusammenkommen, wenn der Staat ein ums andere Mal das Recht auf Asyl seiner Substanz entleert und damit exekutiert was das Pack will, dann verdeutlicht das unser strategisches Problem. Denn das Deutschland, das sich als Willkommensweltmeister inszeniert, ist das gleiche Deutschland, das verantwortlich ist für Flucht von tausenden vor Bürgerkrieg, Armut, Korruption und politischer Verfolgung. Und es zeigt sich aktuell wieder als das Deutschland, das die Betroffenen dieser Verhältnisse hierzulande massenhaft entrechtet und in Tod, Folter und humanitäre Katastrophen abschiebt.

Eine antifaschistische und antirassistische Linke muss nicht nur die Hand brechen, die nach dem Brandsatz greift um das nächste Lager abzufackeln, sondern auch jene die sanft streichelt, während sie den stummen Zwang der Verhältnisse exekutiert.

Solidarität muss politischer werden. Hinein in die antifaschistische und antirassistische Aktion!

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