25.10.: [Quo vadis Antifa?] / Redebeitrag

Auf den ersten Blick war das Jahr 2014 für die Antifaschistische Bewegung in Leipzig ein gutes Jahr: Im Mai konnte ein Naziaufmarsch in Lindenau nur gegen massiven Widerstand durchgesetzt werden, bei den Landtagswahlen im August flog die NPD aus dem Landtag und im September machte das Nazizentrum in der Odermannstraße 08 endlich dicht. Alle drei Ereignisse haben klar gemacht, dass Nazis es schwer haben in Leipzig oder es in Zukunft noch schwerer haben werden. Ein Grund zum Feiern also? Irgendwie: Nein. Allzu oft hat man das Gefühl, dass alles schlimmer geworden ist…
Dass die NPD nicht mehr im Landtag ist, wird kaum jemand einer antifaschistischen Intervention zuschreiben wollen. Viel mehr scheint es so, als ob die NPD mit ihrem plumpen Nationalismus und ihrem Abschiebe-Rassismus neben den anderen Parteien kaum noch zu provozieren vermag. In Sachen Deutschtümelei kann die Alternative für Deutschland der NPD längst das Wasser reichen. Und Sachsens CDU-Innenminister in Fragen der Asylpolitik rechts überholen zu wollen scheint zumindest auf dem Boden der FDGO nur schwer möglich.

Kamal wurde von Faschisten ermordet. Doch die Täter agierten nicht im luftleeren Raum. Sie handelten aus einem Raum heraus, in dem ein Journalist nach der Tat wie selbstverständlich nach einer möglichen kriminellen Vergangenheit des Ermordeten fragt.
Dieser Raum, der gesellschaftliche Kontext scheint sich gerade – und darüber sollten die eingangs erwähnten Ereignisse nicht hinwegtäuschen – zu verhärten. Es ist erfreulich, dass es in Schneeberg gelungen ist, mit Hilfe zweier Demonstrationen so etwas wie ein Problembewusstsein geschaffen zu haben. Und es ist ebenso erfreulich, dass die Nazis und ihre Elterninitiative in Leipzig-Schönefeld teils auch robuster in ihre Schranken gewiesen wurden. Aber es ist an dieser Stelle hoffentlich auch unnötig noch einmal die Namen all jener Orte vorzulesen, in denen der rassistische Mob unwidersprochen agieren konnte. Die Mobilmachung gegen geflüchtete und als nicht-deutsch wahrgenommene Menschen finden in einem derart breiten Teil der Bevölkerung statt, dass die klassischen antifaschistischen Aktionsformen ins Leere laufen müssen. Es wird zu diesem Thema wohl keine Großdemonstrationen geben, der man mit Masenmilitanz begegnen könnte. Der Rassist fühlt sich so sicher, dass er zu jeder Zeit zu einem rassistischen Übergriff bereit zu sein scheint. Und die Rassistin trifft sich unter der Woche noch schnell mit Gleichgesinnten und der Fackel in der Hand vor der nächsten Asylunterkunft. Wer einmal einer dieser Bürgerversammlungen beiwohnte, in der die Eröffnung von neuen Geflüchteten-Unterkünften einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt wurde, kommt kaum umhin von einer regelrechten Pogromstimmung zu sprechen. Und es ist zu befürchten, dass eine solche Zusammenrottung in Zukunft ebenso Ausgangspunkt rechter Gewalt werden könnte, wie der Kneipenabend der lokalen Kameradschaft.

In einer solchen Situation an den klassischen Aktionsformen der Antifa festzuhalten, hieße eine Feuerwehrpolitik zu betreiben, die dazu verdammt ist, zu spät zu kommen. Weiterhin eine reine Anti-Nazi-Politik zu betreiben würde bedeuten, auf das Ausscheiden der NPD aus dem sächsischen Landtag anzustoßen,  während sich der Mob vor den Unterkünften sammelt und die radikale Mitte AfD wählt.
Es gilt jetzt zweierlei Dinge zu bewerkstelligen: Eine radikale Linke muss ihre Feinde zu erkennen in der Lage sein. Und zwar anhand dessen was sie sagen und nicht an ihrem Parteibuch. Dieses konnte schon immer auch ein grünes oder rotes sein. Wer für eine weitere Verhärtung gesellschaftlicher Zustände einsteht, dem und der muss unsere unversöhnliche Kritik gelten!
Eine Abkehr von der Feuerwehr-Politik muss aber auch heißen, sich mit denen zu solidarisieren und zu organisieren, die von den Zumutungen diese Systems in besonderer Weise betroffen sind und ihnen in ihren Kämpfen beiseite zu stehen. Diese Menschen sind in diesem Moment die Geflüchteten, die es mit aller Kraft mit dem Asyl- und Grenzregime aufnehmen und denen aktuell mit einer großangelegten Polizeiaktion namens Mos Maiorum nachgestellt wird. Es sind aber auch die Menschen, die sich mit dem ganz alltäglichen Rassismus in dieser Gesellschaft herumschlagen müssen. Etwa wenn, wie im Fall der Eisenbahnstraße, BewohnerInnen eines ganzen Straßenzuges stigmatisiert und im Zuge dessen kriminalisiert werden.

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