19.05.: Sarrazin Buchvorstellung Alte Handelsbörse / Redebeitrag

Auch wenn es ein ungewöhnliches Ansinnen sein mag, möchten wir heute unsere Kritik mit einem Song untermalen. Es handelt sich dabei um ein Stück, in dem es um gesellschaftliche Konflikte geht. Um gesellschaftliche Konflikte und vor allem um Menschen, die in diesen Konflikten, statt die tatsächlichen Ursachen zu erkennen, ihren Ressentiments auch noch eine Rechtfertigung verpassen. Für uns zählt Thilo Sarrazin zu den Vordenkern und Stichwortgebern dieser Leute.

Was das Werk Thilo Sarrazins im Allgemeinen und sein aktuelles Werk im Besonderen so kritikwürdig macht, ist die Zweischneidigkeit seiner Ideologie: Da ist zum Einen der, in der Öffentlichkeit hinlänglich verhandelte Teil, den man schlicht als Rassentheorie bezeichnen muss. Dieser Teil strotzt nur so von biologistischem Unsinn und versucht einem stumpfen Rassismus mit ausgedachten Fakten offensichtlich falschen Schlussfolgerungen eine halbwegs wissenschaftliche Legitimation zu verschaffen. Ob Herr Sarrazin den Mist den er fabriziert, wenn er von „Erbintelligenz“ faselt, tatsächlich selber glaubt, spielt keine große Rolle. Denn er bedient eine Zielgruppe. Mit seinen Worten adelt er die rassistischen Zusammenrottungen von PEGIDA, Freital, Einsiedel und sonstwo und liefert ihm die Argumente. Denn bevor man etwas Dummes tut, muss man dumm denken…

Der zweite Teil hingegen kennzeichnet Sarrazin als knallharten Konservativen. In seinem aktuellen Werk beschäftigt sich Sarrazin mit dem, von Rechten der aktuellen Stunde gern konstatierten, Versagen der Politik. Sein Verlag kündigt an, dass „wer dieses Buch gelesen hat, […] Politik mit anderen Augen betrachten und besser verstehen [wird]“. Dies ist der Anspruch dieses Machwerks und seine Wirkmächtig zu unterschätzen wäre nicht nur für eine radikale Linke fatal. Denn Sarrazin steht voll und ganz für eine Verhärtung der gesellschaftlichen Zustände. Für ihn sind gesellschaftliche Utopien, die sich einem solidarischen und gerechten Zusammenleben aller Menschen widmen, der Grund allen Übels. Stattdessen fordert er eine technokratische Politik, die allein dafür zuständig ist, der Konkurrenz aller Menschen untereinander einen geregelten Rahmen zu geben. Dies ist der Kern nicht nur der Leistungsideologie Sarrazins, sondern eines jeden Neoliberalismus. Diese Ideologie macht es möglich, die Schuld an der Tatsache, dass die Wirtschaftskraft Deutschlands seit Jahren steigt, während die Reallöhne stagnieren, denen in die Schuhe zu schieben, die noch viel weniger haben. Und das ist nur ein Beispiel unter Vielen. Und für all jene, denen die rassistische Scheiße Sarrazins noch nicht ausreicht, liefert dieser Konkurrenzfetischismus die Argumente. Und dann scheint das, was bei LEGIDA, in Clausnitz, in Heidenau oder sonstwo passiert auch irgendwie Sinn zu haben. Denn bevor man etwas Dummes tut, muss man dumm denken…

Wir stehen heute hier um unsere Unversöhnlichkeit zu demonstrieren. Eine Unversöhnlichkeit nicht nur mit den Thesen Thilo Sarrazins, sondern auch mit den Verhältnissen und vor Allem mit all jenen die neben Sarrazin stehen und für eine Verhärtung der gesellschaftlichen Zustände eintreten.
Und wenn wir heute hier stehen und laut und deutlich sagen: „Refugees welcome!“ dann wollen wir damit nicht Mitgefühl oder guten Willen zeigen. Sondern wir stellen uns auf die Seite jener, die am härtesten mit den Bedingungen des Kapitalismus zu kämpfen haben. Wir wollen kein Stück vom Kuchen abgeben. Wir wollen die ganze Bäckerei niederreissen. In einer Welt, in der, wie heute, so unzählbar viele Menschen vor den Waren der Exportweltmeister in Deckung gehen müssen, darf der Kampf um eine bessere, eine lebenswertere Welt nicht mehr nur vor den Werkstoren geführt werden. Er muss ebenso an die Grenzen der Festung Europa und auf die Bühnen und Kundgebungen der Apologeten des Wohlstandschauvinismus getragen werden.

In diesem Sinne endet der Song um den es hier geht, mit den Worten:

„Bevor man etwas Dummes tut, muss man dumm denken

Willst du ihnen helfen, dann erinner‘ sie an ihre Worte

Manchmal helfen Schellen!“

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